Aus Warschau ins Emsland – 1.700 Soldatinnen der Armia Krajowa als Kriegsgefangene im Emslandlager Oberlangen

Aktuelles aus der Initiative

In den letzten Monaten hat sich das Zentrum für Jugendberufshilfe (ZfJ) intensiv mit dem Nationalsozialismus beschäftigt, wobei ein besonderes Augenmerk auf die nachholenden Schulabschlüsse gelegt wurde. Die Teilnehmenden, darunter Erwachsene, die aus verschiedensten Gründen ihren Haupt- oder Realschulabschluss nicht erreicht haben, sowie erwachsene Zugewanderte aus diversen Ländern, brachten ein breites Spektrum an Geschichtsverständnissen mit. Die inhaltliche Erarbeitung zielte darauf ab, nicht nur sprachliche Kompetenzen, sondern auch ein tieferes Verständnis für die lokale Geschichte und insbesondere für die Schicksale polnischer Kriegsgefangener in Oberlangen zu fördern. Durch die einfühlsame Einführung in die Thematik durch Frau Ivonne Kaalmink wurden die Teilnehmenden behutsam an den Komplex des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus herangeführt. Ein besonderes Augenmerk lag darauf, einen zugänglichen Rahmen für alle Teilnehmenden zu schaffen und etwaige Berührungsängste mit dem Thema zu überwinden. Die darauf folgende Vertiefung in spezifischere Themen wie den Aufstieg der NSDAP, den Führerkult und den Völkermord ermöglichte es, ein fundiertes Fachwissen aufzubauen. Die Initiative strebte danach, die Biografien einzelner inhaftierter Frauen in Kleingruppen aufzuarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Eine erste Exkursion zur Gedenkstätte Esterwegen am 22. März bot eine praktische Auseinandersetzung mit der Geschichte und den individuellen Schicksalen. Ein weiterer Besuch ist für den 24. Mai geplant. Die Teilnehmenden wurden vor Ort sowohl in den geschichtlichen Kontext eingeführt als auch mit der Biografie einer polnischen Gefangenen vertraut gemacht, was einen tiefen Eindruck hinterließ. Zur Verbreitung und Sensibilisierung für das Thema wurden die Aktivitäten auch über soziale Medien geteilt, mit einem ersten Beitrag, der Ende Januar 2024 veröffentlicht wurde und auf das Engagement des Projekts aufmerksam machte. Aktuell befindet sich das ZfJ in der Planungsphase für ein Treffen mit der lokalen Bevölkerung, wobei ein Bürgerdialog im Rahmen der bevorstehenden Stolpersteinverlegungen in Meppen angedacht ist. Dieser Ansatz verfolgt das Ziel, das Thema Erinnerungskultur in den sozialen Netzwerken zu stärken und einen Dialog innerhalb der Gemeinschaft zu fördern.

Initiative


Im Emsland gab es während der NS-Zeit 15 Gefangenenlager, die Emslandlager. In einem davon, in Oberlangen, waren von Ende 1944 bis April 1945 etwa 1.700 polnische Frauen als Kriegsgefangene interniert. Sie waren Soldatinnen der Armia Krajowa, der polnischen Heimatarmee, als Melderinnen, Sanitäterinnen und Partisaninnen tätig. Etwa 3.000 Frauen wurden nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes von den deutschen Besatzern inhaftiert. Wir möchten die Schicksale von exemplarisch mindestens vier inhaftierten Frauen in den Fokus rücken. Anhand des biografischen Zugangs skizzieren die Lerngruppen den Lebensweg der Frauen und gehen dem Alltag im Lager nach.
Im Emsland ist die Geschichte der Stadt Haren, die nach dem 2. Weltkrieg 3 Jahre lang polnisch war, gut aufgearbeitet und dokumentiert. Es ist aber nahezu unbekannt, dass sich im Emslandlager Oberlanger so eine zahlenmäßig große Gruppe von polnischen Frauen befand. Mit dem Projekt möchten wir an die Schicksale der ersten weiblichen Kriegsgefangenen erinnern. Es ist wenig bekannt, dass auch Frauen den Kriegsgefangenenstatus im 2. Weltkrieg erhalten haben. Der regionale Bezug liegt hier auf der Hand, die Frauen waren im Emsland inhaftiert und wurden zum Kriegsende von polnischen Soldaten befreit. Einige der Frauen sind im Emsland geblieben, andere sind ausgewandert, z.B. nach Übersee, manche sind zurück nach Polen gegangen. Letztere begaben sich jedoch in große Gefahr, denn sie stellten im sowjetisch-besetzten Polen eine Gefahr für die neuen Machthaber dar und mussten stets mit der Deportation nach Russland rechnen. Deswegen wählen wir unterschiedliche Frauenbiografien aus, um diese Vielfalt stellvertretend zu zeigen. Im Emsland leben viele Zugewanderte aus Polen, denen das Thema neu ist.
Das Projekt fördert die Auseinandersetzung mit der Erinnerungskultur in Bezug auf die NS-Zeit, stärkt die gemeinsamen europäischen Werte, das bürgerliche Engagement sowie digitale Kompetenzen der Beteiligten. Damit schaffen wir ein ansprechendes niedrigschwelliges und gut zugängliches Bildungsangebot, das auch die Gedenkstätte Esterwegen für ihre Besuchenden über Smartphones nutzen kann.

Wer sind wir?
Die Volkshochschule in Meppen ist eine gemeinnützige GmbH. Unser Bildungsauftrag richtet sich an nahezu alle Bevölkerungsgruppen jeden Alters. Gegründet im Jahr 1988 ist die VHS Meppen mittlerweile eines der größten regionalen Weiterbildungszentren mit insgesamt sechs Standorten im Landkreis Emsland mit vielseitigen Bildungsangeboten in den Themenbereichen Umweltbildung, Gesellschaftliches Leben, Kultur & Kreativität, Fitness & Gesundheit, Pädagogik & Psychologie, Sprachen & Integration, Grundbildung & Schule, Computer & Medien, Berufliche Bildung für alle Altersgruppen und Bevölkerungsgruppen.

Wer ist mit dabei?
In die Umsetzung sind mehrere Klein-Teams in der VHS eingebunden, z.B. die Kolleginnen des Zentrums für Jugendberufshilfe, Linda Spindler und Ivonne Kaalmink. Eine Unterstützung erhalten wir in Form der Vor-Recherche und Beratung von der Gedenkstätte Esterwegen. Nadine Schlump unterstützt mit ihren Erfahrungen als Projektkoordinatorin aus der internationalen Projektarbeit. Die Projektleiterin ist Radka Lemmen. Am Zentrum für Jugendberufshilfe, das zur VHS Meppen gehört, arbeiten wir mit derzeit rund 75 Teilnehmenden.

Warum machen wir das?
Wir wollen Personen mit geringeren Chancen die Möglichkeit bieten, sich aktiv mit der regionalen Geschichte auseinanderzusetzen. Wir wollen die Lernenden anregen, das vermittelte Wissen über die Geschichte und die Aufarbeitung der Thematik zu den Emslandlagern zu reflektieren und es mit ihrer Gegenwart zu verbinden.

Was möchten wir erreichen?
Wir werden ansprechende Materialien mit dem biografischen Ansatz erstellen, um sie einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Die erstellten Materialien bleiben erhalten und sollten breit zugänglich gemacht werden. Ebenso wichtig sind uns Sensibilisierungsinhalte und geeignete methodische Zugänge für die Lehrkräfte und die Schulung dieser.

Nadine Schlump
Radka Lemmen
Ivonne Kaalmink