Krankenhaus Lauchheim in den Jahren 1939 bis 1945 – ein Ort des Sterbens?

Aktuelles aus der Initiative

In den vergangenen Monaten hat sich die Initiative Lauchheim intensiv der Erforschung und Vermittlung der Stadtgeschichte während des Dritten Reichs gewidmet. Durch Bildungsveranstaltungen, Archivbesuche und Kooperationen hat die Initiative bedeutende Fortschritte in ihrem Bestreben erzielt, Licht in die dunklen Kapitel der Vergangenheit zu bringen und deren Erinnerung zu bewahren. Ein wesentlicher Bestandteil ihrer Arbeit war die Einbeziehung von Schülerinnen und Schülern in den Forschungsprozess. Diese setzten sich umfassend mit den Schicksalen in Schwäbisch Gmünd auseinander, basierend auf einer neueren Buchveröffentlichung. Die Beschäftigung mit der Frakturschrift erlaubte es ihnen, originale Dokumente aus jener Zeit besser zu verstehen. Weiterhin wurden die Ideologie und die Realität im Dritten Reich sowie der Widerstand gegen dieses Regime, speziell die Rolle von Georg Elser, thematisiert. Ein Highlight stellte der Besuch der Schüler im Stadtarchiv Lauchheim dar, wo sie direkten Einblick in alte Dokumente erhielten. Obgleich eine Anfrage im Pfarrarchiv Lauchheim nach Akten zum städtischen Krankenhaus keine Ergebnisse lieferte, war diese Einführung in die historische Forschungsarbeit für alle Beteiligten sehr aufschlussreich. Es konnten Patientenbücher aus den 30er und 40er Jahren aus dem Stadtarchiv entgegengenommen werden, unter anderem ein besonders wertvolles Buch mit Einträgen über „Ausländische Patienten“, das derzeit detailliert analysiert wird. Die Entdeckung eines klösterlichen Archivs mit umfassenden Dokumenten zum Lauchheimer Krankenhaus markiert einen weiteren bedeutenden Fund, der eine nähere Untersuchung erfordert. Die persönlichen Geschichten, die ans Licht gebracht wurden, sind besonders bewegend. Drei deutsche Zeitzeugen aus Lauchheim wurden identifiziert; Besuche und Interviews durch Schüler sind in Planung. Zudem ist die Geschichte einer Zeitzeugin, die als Tochter einer polnischen Zwangsarbeiterin in den 40er Jahren in Lauchheim-Hülen zur Welt kam, von großer Bedeutung. Ihr Lebensweg und der ihrer Familie werden weiter erforscht. Die Initiative hat ihre Erkenntnisse und Aktivitäten auch online veröffentlicht, zugänglich unter Forschungsgruppe Grafschaft Glatz und Deutschorden-Schule, um einen umfassenden Einblick in ihre bisherigen Arbeiten zu bieten.

Initiative

Was hat Lauchheim mit Polen zu tun? Sehr viel, wenn man die letzten sichtbaren Spuren zu deuten weiss. Auf dem Lauchheimer Friedhof ist noch heute ein Grabstein mit Namen von Zwangsarbeiterinnen und -arbeitern umliegender Rüstungsbetriebe zu finden. Das soll zunächst unser Ansatz für weitere Recherchen sein. Namen, Ereignisse, Schicksale …  
Im Lauchheimer Krankenhaus sind Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter, teils schwangere Frauen und deren Säuglinge, in den Jahren der Naziherrschaft zu Tode gekommen. Die ganze Zahl an Opfer und deren Namen sowie deren Herkunftsorte sollen für die Nachwelt so detailliert als möglich recherchiert und dokumentiert werden.

Wir, die Lauchheimer Stolpersteininitiative, sind ein Zusammenschluss aus privaten Personen mit Rechercheerfahrungen in verschiedenen Archiven. Hinter unserer Arbeit steht uneingeschränkt die Stadtverwaltung Lauchheim. Zudem war in Vergangenheit insbesondere die Lauchheimer Schule an verschiedenen Projektarbeiten der Stolpersteininitiative beteiligt. Dabei wurden Schülerinnen und Schüler sensibilisiert, sich kritisch mit den Taten der Naziherrschaft auseinander zu setzen.
Wenn unsere Rechercheergebnisse zunächst den beteiligten Schülerinnen und Schülern sowie im weiteren Verlauf der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, wird deutlich, dass polnische Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter auch vor unseren Haustüren unsägliches Leid erfahren mussten. Teils bis in den Tod. Dieses Bewusstsein darf nicht schwinden. Es ist die Aufgabe, jede neue Generation immer wieder an die dunkle Zeit der Naziherrschaft zu erinnern. Das Stadtarchiv Lauchheim wird unsere Ergebnisse aufnehmen und bewahren. Broschüren, Bücher und Gedenksteine sowie verschiedene digitale Medien erinnern und mahnen darüber hinaus.
Mit unserer Projektarbeit möchten wir eine breite Öffentlichkeit ansprechen, regional und überregional. Wir möchten informieren und sensibilisieren. Gerne auch Menschen in Polen erreichen. Wir möchten zu einem besseren Miteinander beitragen. Nicht indem wir Ergebnisse liefern, welche einzig die Verbrechen der Vergangenheit aufzeigen, damit bei einschlägigen Gruppen der gegenseitige Hass geschürt wird. Wir wollen vielmehr dazu beitragen, dass in Deutschland und in Polen verstanden wird, wie heutige Generationen an einer Aufarbeitung mitwirken. Das sogenannte „kollektive Gedächtnis“ und die Reflexion der Vergangenheit spielt dabei für uns eine wichtige Rolle. Deutungen der Geschehnisse können – und müssen -teilweise sogar aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und dargestellt werden, damit wir gemeinsam besser verstehen.
In der Hoffnung, dass solche Schrecken in Zukunft nicht mehr geschehen, wird an unserer Schule eine freiwillige Geschichts-AG angeboten, bei der sich interessierte Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Klassenstufen zusammen finden. Im besten Falle multiplizieren wir das Verständnis für unsere beiderseitige deutsch-polnische Geschichte. Die weitere Zukunft in freundschaftlicher Nachbarschaft gestalten sollte unser vorrangiges Ziel sein.
Die Lauchheimer Initiative möchte davon profitieren, dass Verknüpfungspunkte und vielleicht sogar Freundschaften zu polnischen Gemeinden, den Herkunftsorten der hier zu Tode gekommenen Opfer, zu dortigen Schulen und letztlich zu einzelnen Privatpersonen entstehen. Diese Kontakte sollen zu einem besseren Miteinander beitragen und gegebenenfalls gegenseitige falsche Vorstellung der jeweils anderen Kultur ausräumen.   
Wir hoffen mit unserem Projekt Teil eines größeren Ganzen zu sein. Das Ganze zeigt flächendeckend die Gräueltaten des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland und Europa der 1930er und 1940er Jahre. Jede Einzelinitiative für sich zeigt nach und nach die Vielzahl der Verbrechen an eigentlich allen Orten Deutschlands. Wir wünschen uns darüber hinaus, dass sich weitere Initiativen auf dem Weg machen, um allenorts Geschichte sichtbar machen.
Die anstehenden Recherchen im Verlauf unserer Projektarbeit werden insbesondere die mit Lauchheim verbundenen Einzelschicksale aufzeigen. Zu Tode gekommene Männer, Frauen und Kinder bekommen ein „Gesicht“. 2022 ist der Krieg erneut in Europa angekommen. Wir sollten handeln …
 
Lauchheim im September 2023, Gerold Wenzel.