„Rekonstruktion juristischer Verfahren über Zwangsarbeit in Südniedersachsen und Polen“
zur inhaltlich-thematischen Ergänzung der Dauerausstellung „Auf der Spur europäischer Zwangsarbeit. Südniedersachsen 1939-1945“

Aktuelles aus der Initiative

Die Initiative Göttingen führt derzeit die Recherche der Geschichte der Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs. Darüber hinaus arbeitet sie schon mit mit Lehrkräften, um durch die Aufbereitung von Dokumenten für den schulischen Gebrauch das historische Bewusstsein zu fördern. Besonders erwähnenswert ist die erfolgreiche Einsicht in die Akten über Gewalt gegen Zwangsarbeiter*innen, die bisher durch eine gesetzliche Schutzfrist eingeschränkt war. Diese Entwicklung ermöglicht eine tiefere historische Einsicht und bildet eine Grundlage für kommende Diskussionen. Im Juni finden zwei Veranstaltungen statt, die das Projekt in Göttingen vorstellen und rahmen sollen, wodurch ein breiteres Publikum erreicht werden soll.


Initiative


Gerichtsverfahren zeigen, wie nach dem zweiten Weltkrieg in verschiedenen Ländern mit Gewalt und Zwangsarbeit umgegangen wurde – nicht nur juristisch, sondern auch gesellschaftlich. Eine Auseinandersetzung mit diesen Verfahren muss deshalb mehrdimensional sein, es geht um historische und rechtliche Perspektiven, aber auch um ethisch-moralische Fragen und eine kritische Bewertung von Quellen.
 
Unser Projekt beschäftigt sich mit der Frage, wie mit der gemeinsamen Geschichte der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus in Polen und Deutschland umgegangen wurde. Gemeinsam mit jungen Menschen werden drei Fälle aus Südniedersachsen untersucht: ein Strafprozess in Deutschland gegen einen Mann, der Zwangsarbeiter schwer misshandelt und einen Polen möglicherweise sogar getötet hat, dessen Verfahren 1954 aber eingestellt wurde, ein Strafprozess in Polen nach 1945 und ein Entschädigungsverfahren der ehemaligen Zwangsarbeiterin Wiktorja Delimat aus den 1970ern.
 
Die Teilnehmer*innen setzen sich so zugleich mit Zwangsarbeit allgemein wie mit den Nachkriegsgesellschaften auseinander. Und sie diskutieren ihre eigene Haltung: Wie würde ich mich verhalten? Welche Entscheidung würde ich treffen? Wie kann eine angemessene Anerkennung aussehen? Auf diese Weise wird auch das zukünftige Erinnern thematisiert.
 
Aus dieser Zusammenarbeit und mit den gesammelten historischen Materialien wird ein Workshop entwickelt, der in das Vermittlungsangebot der Ausstellung aufgenommen werden soll. Das Projekt stärkt damit auch die Ausstellung als Lernort.

Ausstellungsführung in April 2015 mit Zeitzeugin Wiktorja Delimat
Foto: Philipp Küchler

Auf der Spur europäischer Zwangsarbeit.
Südniedersachsen 1939-1945 | Dauerausstellung Ein Lern- und Bildungsort zum Nationalsozialismus

Die Ausstellung „Auf der Spur europäischer Zwangsarbeit. Südniedersachsen 1939-1945“ dokumentiert die Lebensgeschichten von angeworbenen, dienstverpflichteten oder auf gewalttätige Weise deportierten Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeit in Südniedersachsen leisten mussten. In 13 thematischen Stationen zeigt die Ausstellung das Ausmaß, die Bedeutung und die Vielgestaltigkeit von Zwangsarbeit am Beispiel der Region Göttingen-Northeim. Bis zu 60.000 Menschen aus mindestens 16 europäischen Ländern waren hier als Zwangsarbeitende eingesetzt.
 
Eine Besonderheit der Ausstellung liegt in ihrer europäischen Perspektive. Die Lebensgeschichten polnischer, niederländischer und italienischer Zwangsarbeitender und die damit verbundenen
allgemeineren Aspekte werden von Wissenschaftler*innen aus diesen Ländern dargestellt. So greift die Ausstellung die europäische Dimension der NS-Zwangsarbeit auf, multiperspektivisch und auf verschiedenen Zeitebenen. Um den Stellenwert dieser Erfahrung im Leben der Betroffenen kenntlich zu machen, werden ihre gesamten Lebensläufe dargestellt – weit über den Abschnitt der Zwangsarbeit in Deutschland hinaus. Dabei kommen viele ehemalige Zwangsarbeitende selbst zu Wort und berichten von ihren Erfahrungen. Indem die Besucher*innen so von den historischen Akteur*innen gleichsam durch die Ausstellung begleitet werden, treffen sie auf Menschen, die damals im gleichen Alter waren wie sie heute, mit denen sie den Beruf oder die Herkunft teilen. Das eröffnet einen persönlichen Zugang.
http://zwangsarbeit-in-niedersachsen.eu
 
Trägerin: Geschichtswerkstatt Göttingen e. V.
In der virtuellen Ausstellung finden Sie online die gesamten Texte und Bilder der Ausstellung “Auf der Spur europäischer Zwangsarbeit Südniedersachsen 1939-1945”:
Deutsch: https://zwangsarbeit-in-niedersachsen.eu/de/index-de.html
Polnisch: https://zwangsarbeit-in-niedersachsen.eu/pl/index-pl.html

Einblick in die Ausstellung
Foto: Philipp Küchler

Ausstellung als Lernort

Die Ausstellung „Auf der Spur europäischer Zwangsarbeit. Südniedersachsen 1939-1945“ ist keine Gedenkstätte. Trotzdem fehlt es nicht an „authentischen Orten“, sie liegen vor der Haustür: Es sind die Firmen und Institutionen, die Zwangsarbeitende einsetzten, die Plätze, auf denen diese Menschen in Lagern untergebracht waren.
 
Als Lern- und Bildungsort zum Nationalsozialismus in der Region richtet sich die Ausstellung an alle Menschen ab einem Alter von etwa 15 Jahren. Angehörige aller Generationen sollen direkt am Ort ihres Alltagslebens zu einer kritischen Debatte über Zwangsarbeit, Nationalsozialismus und die Erfahrung der Fremdherrschaft ermuntert werden. Jung und Alt sollen motiviert werden, selbst die Spuren der NS-Zwangsarbeit am eigenen Wohnort zu erkunden.
 
Besucher*innen der interaktiven Ausstellung können selbst aktiv werden, ihre Interessen einzubringen und Schwerpunkte setzen. Wer sich mit dem Thema einer Ausstellungstafel intensiver beschäftigen will, findet Objekte in Vitrinen und kann Schubladen aufziehen, in denen sich ergänzendes Material befindet. In Multimedia-Stationen können weitere Dokumente, vor allem aber zahlreiche lebensgeschichtliche Filminterviews mit ehemaligen Zwangsarbeitenden abgerufen werden. Eine interaktive elektronische Landkarte ermöglicht die Recherche nach früheren Lagerstandorten in der Region.
 
Statt auf klassische Führungen setzt die Ausstellung auf ein Vermittlungsangebot, das mit Workshops und Projekten wie dem „Museumskoffer“ zum Selbstentdecken einlädt.
 
Vermittlungsangebote für Schulklassen und Jugendgruppen: https://zwangsarbeit-in-niedersachsen.eu/de/ausstellung-vor-ort/angebot-fuer-jugendgruppen.html
Unser Angebot für Gruppen: https://zwangsarbeit-in-niedersachsen.eu/de/ausstellung-vor-ort/angebot-gruppen.html

Schüler*innen erkunden die Ausstellung selbst.
Foto: Lisa M. Grow

Anschrift / Kontaktinformationen / Öffnungszeiten

Ausstellung „Auf der Spur europäischer Zwangsarbeit. Südniedersachsen 1939-1945“
Godehardstraße 11
37073 Göttingen
 
Telefon: 0551/ 29 34 69 01
E-Mail: info@zwangsarbeit-in-niedersachsen.eu
Website: www. zwangsarbeit-in-niedersachsen.eu
 
Öffnungszeiten: montags bis freitags 10 – 14 Uhr | donnerstags 15 – 18 Uhr | jeden 1. Sonntag im Monat 14 – 17 Uhr | für Gruppen nach Vereinbarung